CDU-Parteivorsitz: Kandidaten-Casting in Lübeck

Die erste Regionalkonferenz ist bereits Geschichte. Gestern Abend, am 15. November, stellten sich Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn den CDU-Mitgliedern in Lübeck. Acht Regionalkonferenzen veranstaltet die CDU Deutschlands im Vorlauf des Parteitages Anfang Dezember in Hamburg – jedes Mitglied darf kommen, geschaut werden kann auch online, denn jede der acht Regionalkonferenzen wird live im Internet übertragen. Einige CDU-Verbände organisieren deshalb Public Viewings.

Als CDU-Mitglied habe ich mit Spannung erwartet, wie sich die drei Kandidaten geben. Ich war – und bin – noch unentschieden, wen der drei Kandidaten, #AKK, Merz und Spahn, ich besser finden soll. Für mich gab es allerdings eine Ausgangssituation:

Ich habe Kramp-Karrenbauer im hessischen Wahlkampf mehrmals live erlebt. Sie hat eine klare Sprache gewählt und vor allem kam sie bei den Menschen an. Ich habe noch nie eine Politikerin erlebt, die auf der Straße, von wildfremden, parteiunabhängigen Menschen durch die Bank erkannt und herzlich begrüßt wird. Wohlgemerkt: Mitten in Hessen, in Frankfurt, und nicht in ihrer saarländischen Heimat. Das ist ein großer Pluspunkt: AKK kommt bei den Menschen, bei den Wählern an. Aber auch bei den CDU-Mitgliedern: Die Veranstaltungen mit ihr waren immer voll. Und da redete sie nicht nur daher, sondern bezog klar Position. Leider fand ich sie in ihren medialen Auftritten in den vergangenen Tagen blass.

Auf der anderen Seite Friedrich Merz, der seine bisherige politische aktivste Zeit hatte, als mein politisches Interesse begann, Anfang der 2000er Jahre. Für mich ist es kein Nachteil, wenn jemand einige Jahre aus der Politik draußen war – das kann auch eine Chance sein, dieser Blick von draußen, aus der Wirtschaft. Er hatte die letzten Tage eine klare, ruhige Sprache gewählt. Aber ob seine Rezepte von damals noch heute stimmen?

Und natürlich Jens Spahn, der seit Jahren an der Seite der Jungen Union politisch kämpft. Obgleich er inzwischen nicht mehr, altersbedingt, JU-Mitglied ist, ist er trotzdem noch einer „von uns“. Allerdings rechnete ich ihm bislang nur Außenseiterchancen aus. Diese Prognose teile ich mit vielen Parteimitgliedern.

Das war meine Ausgangssituation, bevor ich mir die erste Regionalkonferenz in Lübeck ansah. Ohne nun einen Veranstaltungsbericht aufschreiben zu wollen – den gibt es online zuhauf, oder gleich alles auf YouTube ansehen  –, meine Eindrücke:

Die Veranstaltung insgesamt

Diese Regionalkonferenzen sind ein immenser Gewinn. Sie sind auch etwas anderes als die Regionalkonferenzen unter Merkel, es sind richtige Regionalkonferenzen mit Dialog, Kontroversen und Leidenschaft. Man merkt in der CDU-Mitgliedschaft: Da tut sich etwas. Eine Art Aufbruchstimmung. Diese Stimmung empfand ich auch beim Sehen der Regionalkonferenz in Lübeck. Besonders gefällt mir, dass alle drei Kandidaten außerordentlich anständig und respektvoll miteinander umgehen, bei kurzen Zeitbudgets die Antworten auf Mitgliederfragen sogar thematisch untereinander aufteilen. Dieser Stil gefällt mir. Umso spannender ist, wie man trotzdem herausfinden kann, wofür die Kandidaten stehen.

#AKK

Kramp-Karrenbauer bekommt viel Unterstützung aus dem Saarland, die Busse zu allen acht Regionalkonferenzen organisieren. Insofern sollte man nicht zu viel auf den Applaus geben, der bei den Regionalkonferenzen gegeben wird. Trotzdem: Der Auftritt von AKK in Lübeck war solide, sie steigerte sich im Laufe der Veranstaltung. Kramp-Karrenbauer ist meines Erachtens mehr der Typ Kumpel, dafür spricht auch ihr großes Talent, wie eingangs erwähnt, beim Straßenwahlkampf, bei der Begegnung mit Menschen. Sie denkt vom Menschen her: Das war auch ihre Antwort in Lübeck, als es um die Digitalisierung geht. Sie ist dann für Digitalisierung, wenn es dem Menschen hilft, etwa beim autonomen Fahren, wenn das Fahrzeug merkt, dass der Fahrer einen Herzinfarkt erlitten hat und selbstständig auf den Seitenstreifen fährt und hält. Dieser Ansatz ist auf dem ersten Blick positiv, auf dem zweiten allerdings auch zurückhaltend. AKK hatte lange den „Makel“, eher zum linken Parteiflügel der CDU zu gehören. Das verdiente allerdings schon immer einer Differenzierung: AKK ist sozialpolitisch vielleicht eher links, dafür in Wertefragen eine der konservativsten Politiker aus der CDU-Spitze. Dieses Bild untermauerte sie auch in Lübeck. Ich fände es allerdings besser, wenn sich Kramp-Karrenbauer von der Verteidigerin von Regierungspolitik, wie in Lübeck etwa in puncto Diesel, mehr zu einer eigenen Persönlichkeit entwickeln würde.

Merz

Friedrich Merz hat etwas von einem verpackten Geschenk: Man glaubt zwar zu wissen, was drin ist, aber ganz weiß man es nicht. Parteimitglieder mögen in solchen Momenten diese spannenden Persönlichkeiten. Merz verkörpert etwas Neues. Er argumentierte in Lübeck erneut sehr ruhig, sachbetont, fast schon realpolitisch – für mein Dafürhalten einen Tick zu realpolitisch. Dahinter mag der Versuch stecken, die ganze Breite der CDU anzusprechen. An der einen oder anderen Stelle, etwa in der Digitalisierung oder Außenpolitik, blitzte bei Merz der „Blick von außen“ auf – will meinen: da zeigte sich, dass Merz einige Jahre nicht in der Politik war. Ein echter Pluspunkt. Mir hat sein progressiver Ansatz in der Digitalisierung sehr gefallen: Europa muss endlich aufwachen, etwas tun und an der Spitze des Fortschrittes stehen. Sonst tun es andere (China, USA). Und das wird irgendwann auch Arbeitsplätze und Wohlstand kosten. Merz formuliert klare, glaubwürdige Ansprüche: Mehr Dialog mit der Basis, die modernste Partei Deutschlands, eine CDU wieder im Bereich der 40 Prozent bei Wahlen und das Ergebnis der AfD halbieren. Er sagt selbst zu manchen Punkten, das sei ambitioniert, aber er glaube daran, das schaffen zu können. Damit setzt er die Latte und seine Fallhöhe ziemlich weit nach oben, aber diese Kampfeslust gefällt mir.

Spahn

Jens Spahn hatte in Lübeck einen schweren Start: Die Reaktionen aus dem Publikum waren für ihn mit Abstand die geringsten, gerade auch dann, wenn er versuchte, Scherze zu machen. Aber Spahn hat ein rhetorisches Talent: Mit zunehmenden Fortschritt der Veranstaltung nahm der Applaus und die Regung im Publikum zu und man merkte, dass sich bei ihm auch die Anspannung etwas löste. Spahn hat aufgrund seiner Ausgangslage wenig zu verlieren und umso mehr zu gewinnen: Diese Chance muss er ergreifen. Er wählte klare Worte, an der einen oder anderen Stelle wirkte er forsch. Ich würde ihm raten, in der Sache noch forscher zu werden.

(Zwischen-)Fazit zu den drei Kandidaten

AKK und Merz waren unter dem Strich ausgeglichen. Was mir die Entscheidung nicht einfacher gemacht hat, wen ich, als CDU-Mitglied, favorisieren soll, aber es gibt ja auch noch sieben weitere Regionalkonferenzen. Spahn hat seine Chance vorerst gut genutzt: Er wurde während der Veranstaltung in Lübeck stärker und hat einige Pluspunkte gesammelt. Allerdings wird es nach wie vor schwer für ihn, am 7./8. Dezember in Hamburg gegen AKK und Merz zu bestehen.

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